„Mein Herr und Gebieter“ (bezahlter Link) von Tehmina Durrani ist 2005 in der Verlagsgruppe Weltbild GmbH erschienen.
Klappentext
Tehmina Durrani heiratet mit 23 Jahren den einflussreichen pakistanischen Politiker Mustafa Khar, dem es an Reichtum und Macht nicht mangelt. Doch der Schein des Wohlstands trügt. Kurz nach der Eheschließung beginnt für die junge Frau eine leidvolle Odyssee: 14 Jahre durchlebt sie Zeiten voll panischer Angst, Unterdrückung und Gewalt. Täter ist ihr eigener Ehemann, ihr „Herr und Gebieter“. Nach zahlreichen Kämpfen um Leben und Tod erreicht Tehmina Durrani letztendlich die Scheidung und erfährt erstmals in ihrem Leben Freiheit und Unabhängigkeit.
Einstieg ins Buch
Mein Sari aus blaßgrünem Chiffon raschelte sanft bei jeder Bewegung, und über meinen Rücken fiel mein rotbraunes Haar in einem langen Zopf hinunter bis zu den Kniekehlen. …
Meine Meinung
Tehmina Durrani wächst in einer Familie der Oberschicht in Pakistan auf. Sie geht auf ein Internat in England und reist viel mit ihrer Familie durch die Welt. Sie genießt Vorteile, die sonst in Pakistan nicht viele Kinder, vor allem keine Mädchen, haben. Ihr Leben verläuft recht gesittet und ruhig und doch ändert sich für die alles, als sie den einflussreichen Politiker Mustafa Khar heiratet. Mustafa tarnt sich vom Kennenlernen bis zur Hochzeit als zuvorkommender Gentleman, entpuppt sich bald nach der Eheschließung jedoch schnell zum Tyrannen. Er duldet nichts und lässt seine Launen skrupellos an Tehmina aus. Für Tehmina beginnt eine Zeit der Unterdrückung, der Angst und vor allem der Gewalt. Als sie um ihr Leben fürchten muss, trifft sie wieder eine Entscheidung, die ihr Leben verändern wird. Sie reicht die Scheidung ein und trennt sich von ihrem brutalen Ehemann und verliert alles was sie jemals hatte.
Dieses Buch hat es in sich. Es ist die Biographie einer Frau, die alles verloren hat um sich selbst zu finden. Für mich war es sehr beeindruckend, weil ich mir vorstellen konnte, dass eine Scheidung im Islam ein harter Weg für eine Frau ist. Wie schwer und steinig der Weg jedoch wirklich ist, habe ich erst jetzt realisiert. Immer wenn ich dachte, jetzt hat Tehmina es geschafft, werden ihr neue ungeheuerliche Dinge in den Weg gelegt und zwar von der Politik, von Mustafa und vor allem von ihrer eigenen Familie.
Im ersten Teil des Buches geht es um die Kindheit von Tehmina Durrani, darum wie sie Mustafa kennengelernt hat und die Eheschließung. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Zeit, die sie mit ihrem Mann im Exil verbringen musste. Hier wird auch ganz deutlich und offen beschrieben, wie Themina leidet und unterdrückt wird. Der letzte Teil des Buches befasst sich mit der Rückkehr aus dem Exil, ihrer Rebellion und schließlich der Befreiung von Mustafa.
Tehmina Durrani jammert in diesem Buch nicht rum wie schlecht es ihr ging obwohl sie ja offensichtlich viele Vorteile hatte: Sie wusste nicht was eine Rechnung ist, sie hatte Geld im Überfluss, Kinder- und Dienstmädchen, die hochwertigsten Kleider und einen einflussreichen Mann an ihrer Seite, vor dem sich sogar Männer fürchteten. Aber darf man das materielle Glück über das persönliche Glück stellen? Mich hat das Buch zum Nachdenken gebracht. Ich finde es schlimm, dass es Orte und Kulturen im 21. Jahrhundert gibt, die solche Zustände zulassen. Wir geben uns alle so weltgewandt aber wissen wir, dass es Leben gibt, die für uns unvorstellbar sind? Dass es Menschen gibt, die auf Grund ihrer Kultur nicht mal die Chance haben herauszufinden, wer sie eigentlich sind. Dass eine Beschneidung von Frauen in der heutigen aufgeklärten Welt immer noch Leben kostet und darüber hinaus völlig sinnfrei ist.
„Mein Herr und Gebieter“ zeigt auf eine ganz eigene Art und Weise wie Religion, in diesem Fall der Koran, falsch und zu eigennützigen Zwecken ausgelegt wird. Ich bekam einen Einblick in die Geschichte und die Politik Pakistans und stellte fest, dass nach Außen hin alles wie Glanz erscheint aber wenn sich im Haus die Türen schließen, dann gibt es nur noch brutale Gewalt und Abhängigkeit. Bereits als kleine Mädchen lernen die Frauen in Pakistan dem Mann zu gehorchen und sollten sie das nicht tun, dann sind sie eben selbst schuld wenn sie misshandelt werden.
Das Buch ließ sich flüssig lesen, aber weil es eben eine Biographie ist und kein Thriller oder Krimi, war es eher wie ein Bericht und nicht wie eine Geschichte mit einem Spannungsbogen. Ich habe das Buch nicht in eins durchgelesen, weil ich mir immer wieder mal Gedanken zu der einen oder anderen Sache gemacht habe. Die gesamte Biographie ist solide aufgebaut, aber identifizieren konnte ich mich nicht mit Tehmina. Deshalb auch „nur“ eine solide Bewertung.
Zitat
Plötzlich drehte sich Mustafa mit wütendem Blickzu Naseeba um. Sie schrie auf und starrte ihn mit großen verängstigten Augen an. Er packte sie und drückte ihren Kopf unter Wasser. Ich stürzte zur Wanne und flehte ihn an , sie loszulassen, aber er stieß mich zur Seite und hielt sie weiter unter Wasser. (Seite 151)
Fazit
Dieses Buch ist zeitlose Literatur, weil es in der Welt immer Zustände wie diese geben wird. Für alle, die einen Einblick in die für uns befremdliche islamische Kultur haben möchten und die keine zarten Gemüter sind, ist dieses Buch auf jeden Fall lesenswert. Von mir eine solide Leseempfehlung!
Bewertung
3/5
Der Autor
Tehmina Durrani wird 1953 in eine Familie der pakistanischen Oberschicht heineingeboren. Als junge Frau heiratet sie 1976 einen der einflussreichsten Politiker Pakistans, Mustafa Khar. Es ist ihre zweite Ehe. Sie erleidet das Schicksal unzähliger Frauen im Islam: die Erniedrigung durch den Ehemann. Nach traurigen Kämpfen setzt sie schließlich die Scheidung durch. Das Leben in Freiheit und Selbstbestimmtheit darf erst jetzt beginnen. (Quelle: Weltbild)
Titel der Originalausgabe: My feudal Lord (1994)
Seitenanzahl: 429
ISBN: 978-3-89897-584-1
Verlag: Verlagsgruppe Weltbild GmbH
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