Annette Mingels – Was alles war

Was alles war: Roman

„Was alles war“ von Annette Mingels ist 2017 im Knaus Verlag erschienen.

Klappentext
Dass sie adoptiert wurde, weiß Susa seit ihrer Kindheit. Es hat sie nie gestört – sie liebt ihre Eltern und wird von ihnen geliebt. Daran ändert sich auch nichts, als sie ihre leibliche Mutter kennenlernt, mit der sie nichts zu verbinden scheint. Und doch … Susa erfährt von Brüdern und verspürt eine irritierende Sehnsucht nach ihnen. Und ist der Wunsch, den biologischen Vater kennenzulernen ein Verrat an ihrem im Sterben liegenden Adoptivvater? Als Susa sich in Henryk verliebt, der zwei Töchter mit in die Ehe bringt, wird die Sache noch komplizierter. Was ist das überhaupt, eine Familie? Was begründet sie? Die Gene? Die Liebe?

In ihrem neuen Roman erzählt Annette Mingels von den vielen Spielarten der Familie. Ob biologisch oder sozial gewachsen, intakt oder dysfunktional, herbeigesehnt oder abgelehnt – immer geht es der Autorin um das, was Familie in unserer Zeit ausmacht: die Nähe zueinander, die Distanz, die Unmöglichkeit einander ganz zu verstehen, die Brüchigkeit des Ganzen und seine Belastbarkeit.

Einstieg ins Buch
Der Brief traf an einem Montagmorgen ein, ich sah kurz auf den Absender und steckte den Umschlag in meine Tasche. …

Meine Meinung
Susa wurde als Kind adoptiert, doch das hat sie nie gestört. Es geht ihr gut in ihrer Familie und sie leibt ihre Eltern. Als sie älter wird, macht sie sich auf die Suche nach ihren Wurzeln. Sie lernt ihre leibliche Mutter kennen und kann die Frage stellen, die ihr schon immer auf der Seele brennt. Warum hat ihre Mutter sie damals weggegeben? Susa will ihr keinen Vorwurf machen, sie will es nur verstehen. Selbst Mutter eines kleinen Sohnes kann sie sich keine Situation vorstellen, die sie dazu bringen würde ihr Kind wegzugeben. Ihre Mutter Viola erzählt von Freiheit und Selbstbestimmung, von den Verpflichtungen einem Kind gegenüber und von der eigenen Selbstständigkeit. Viola ist so weit von Susa`s Einstellungen entfernt, das sich keine richtige Beziehung aufbauen kann. Erst als sie ihren Bruder Cosmo kennenlernt, stellt sich bei Susa so etwas wie ein Familienband her. Sie vermisst ihn oft, will möglichst viel über ihn wissen und besucht ihn regelmäßig. Als sie endlich auch ihren biologischen Vater trifft, scheint Susa alle Antworten auf ihre Fragen beantworten zu können. Aber was ändert das an ihrem Leben? Was ändert es an ihr?

Susa ist eine unabhängige Frau, die bei Adoptiveltern aufgewachsen ist. Als sie mit ihrem Mann Henryk eine Familie gründet, verlangt es sie danach, ihre eigenen Wurzeln zu finden. Ihren Adoptiveltern gegenüber hat sie ein so schlechtes Gewissen, dass sie ihnen zuerst nichts darüber erzählt. Erst als Susa Jahre später feststellt, dass sich die Beziehung zu ihrer leiblichen Mutter Viola nicht vertieft, sondern sehr oberflächlich bleibt, kann sie ihren Eltern erzählen, dass sie ihre Mutter gesucht und gefunden hat.

Der Roman gleich eher einer Erzählung und oft gibt es nur kurze Passagen, in denen Ereignisse sehr emotionslos geschildert werden. Ein Ereignis springt schnell zum nächsten, sodass ich nur schwer eine Beziehung zu den Geschehnissen und Personen aufbauen konnte. Für mich bleiben die Figuren sehr oberflächlich und emotionslos. Obwohl aus der Sicht von Susa erzählt wird, hat mich sogar der Tod ihres Vaters nicht wirklich berühren können. Mir kam es so vor, als verschanzte sich Susa mit ihren Gefühlen nicht nur vor ihrer Familie, sondern auch vor dem Leser.

Der Schreibstil hat es mir von Anfang an sehr schwer gemacht, denn eine direkte Rede gab es nicht. Alle Gespräche wurden einfach erzählt, es gab keine Anführungszeichen und keinen Doppelpunkt. Ich musste mir selbst zusammenreimen, wer das jetzt gesagt haben könnte. Nur selten waren die gesprochenen Sätze auf den ersten Blick einzuordnen. Oft habe ich das Buch aus der Hand gelegt und obwohl es nur 287 Seiten hat, habe ich fast zwei Wochen daran gelesen. Das ist normalerweise maximal eine Seitenanzahl für zwei Tage.

Ich habe versucht mich zwischendurch daran zu erinnern, um was es bei diesem Buch geht. Nämlich darum, was Familie bedeutet. Ich bin sicher, dass jeder eine ganz eigen Definition von Familie hat. Für mich geht es in einer Familie darum sich zu unterstützen, wenn es nötig ist, aber auch sich ziehen zu lassen, sich nicht gegenseitig einzuschränken. Besuche sollten niemals Pflichtprogramm werden und man sollte die Zeit, die man mit einander verbringen kann genießen. Annette Mingels hat mich mit diesem Roman leider nicht packen können, weder durch den Plot, noch durch Emotionen. Bis zum Ende konnte ich zur Protagonistin keinerlei Beziehung aufbauen und konnte oft die Reaktionen von Susa nicht nachvollziehen. Hier fehlten mir einfach die gedanklichen und emotionalen Auseinandersetzungen.

Zitat
Wir sind uns wirklich ähnlich, der gleiche Menschentyp, das schmale längliche Gesicht, dem man die Müdigkeit schnell ansieht, die langen Glieder, die hellen Haare zur blassen Haut, die Anfälligkeit für Sonnenbrand und Magenverstimmungen aller Art, … (Seite 64)

Fazit
Eine Erzählung, bei der der Leser emotional immer außen vor bleibt, und dass obwohl der Klappentext emotionale Auseinandersetzungen erwarten lässt. Von mir eine verhaltene Leseempfehlung.

Vielen Dank an das Bloggerportal und an den Penguin Verlag für dieses Rezensionsexemplar!

Bewertung
2/5

Der Autor
Annette Mingels wurde 1971 in Köln geboren und dort im Alter von zwei Wochen adoptiert. Sie studierte Germanistik und promovierte über Dürrenmatt und Kierkegaard. Danach arbeitete sie als Dozentin und Journalistin. 2003 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, dem drei weitere und ein Erzählband folgten. Nach Aufenthalten in Zürich und New York lebt Annette Mingels seit 2011 mit ihrer Familie in Hamburg.

Titel der Originalausgabe: Was alles war (2017)

Seitenanzahl: 287
ISBN: 978-3-8135-0755-3
Verlag: Albrecht Knaus Verlag

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.